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Pneumologische Reha muss bei Post-COVID-Patienten neu gedacht werden

Dr. med. Andreas Wagner, Chefarzt der Pneumologie an der Alpcura Fachklinik Allgäu, über die Besonderheiten der Behandlung.

Pfronten/München – „Die Wichtigkeit der Rehabilitation für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wird im aktuellen Diskurs häufig unterbewertet“, sagt Michael Strobach, Geschäftsführer des VPKA Bayern. „Nehmen wir als Beispiel die Post-COVID-Behandlung, ein Thema von großer gesellschaftspolitischer und volkswirtschaftlicher Relevanz. Hier sind einige unserer Mitgliedseinrichtungen schon zu einem frühen Stadium der Pandemie mit innovativen, an die besonderen Herausforderungen der Erkrankung angepassten Konzepten vorangegangen.“ Eines dieser Häuser ist die Alpcura Fachklinik Allgäu in Pfronten. Sie war eine der ersten Reha-Kliniken in Süddeutschland, die in ihrer Pneumologischen Abteilung einen Post-COVID-Pfad entwickelte und hat seither bereits mehr als 1.200 Betroffene behandelt. Dr. Andreas Wagner, Chefarzt der Pneumologie, erläutert die Besonderheiten der pneumologischen PostCOVID-Reha. 

Die Alpcura Fachklinik Allgäu (FKA) verfügt über eine Rehabilitationsabteilung für Pneumologie mit 116 Betten. „Da Atemwegsprobleme zu den Leitsymptomen der ersten Covid-19- Infektionswellen gehörten, waren wir bereits zu einem sehr frühen Stadium der Pandemie von dem Thema betroffen“, berichtet Dr. Andreas Wagner. „Die ersten Patienten, die nach ihrer CovidErkrankung zu uns kamen, waren schwer lungenkrank. Wie sich im Lauf der Zeit zeigte, ist das Bild bei Post-COVID aber ein anderes. Bei den weitaus meisten der Betroffenen sind gar keine messbaren Schäden an der Lunge vorhanden. Trotzdem leiden sie unter subjektiv empfundenen Atemproblemen und häufig an vielfältigen Begleiterkrankung wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie einer stark eingeschränkten körperlichen und psychischen Belastbarkeit und schwerer Erschöpfung.“ 

Herkömmliche Therapien sind bei Post-COVID oft kontraproduktiv
Wagner schildert die Folgen, die sich daraus für die RehaEinrichtung ergaben: „Bei unseren organisch lungenkranken Patienten setzen wir auf ein Therapieprogramm, das auf einen Wiederaufbau der Leistungsfähigkeit durch sich steigerndes sportliches Training und aktivierende Physiotherapie abzielt. Dies hat sich bei Post-COVID jedoch als der falsche Weg herausgestellt. Schon die geringste Überlastung kann bei diesen Patienten zu einer massiven Verschlechterung des Zustandes führen, einem sogenannten Crash, mit teilweise tage- oder wochenlanger Bettlägerigkeit.“

Pacing ist das A und O
Bereits im Mai 2020 begann die FKA mit der Entwicklung eines speziellen Behandlungskonzeptes für diese Patienten, das sukzessive an die sich ändernden Gegebenheiten angepasst wurde. Dessen zentraler Baustein ist inzwischen das Pacing. Hierbei werden die Patienten dafür sensibilisiert, ihre eigenen Leistungsgrenzen zu erkennen und einzuhalten. Auf diese Weise können Crashs vermieden werden. Pacing komme bei allen Anwendungen zum Einsatz, sei es bei der Atemtherapie oder der Sport-, Ergo- oder Physiotherapie, so Wagner. „Pacing ist das A und O bei Post-COVID. Allerdings ist es für die meisten Patienten zunächst schwierig, sich bewusst einzubremsen, denn der Wunsch, wieder fit zu werden, ist natürlich sehr groß - zumal viele im jüngeren Alter sind. Man muss es schaffen, das richtige Maß zu finden. Zuviel zu machen ist genauso kontraproduktiv wie gar nichts zu machen, denn dadurch schrumpft die Muskulatur immer weiter und es geht Herzleistung verloren. Es ist also eine Gratwanderung, auf der wir die Patienten begleiten.“ 

Verständnis der Krankheit ist hilfreich 
Generell verließen die Patienten die Fachklinik Allgäu in aller Regel in einer merklich besseren körperlichen Verfassung, so Wagner weiter. „Sehr hilfreich ist auch, dass sie nach ihrem Aufenthalt ein gutes Verständnis ihrer Krankheit haben und besser mit ihr umgehen können. Bei Bedarf geben wir ihnen auch eine spezielle App an die Hand zum Konzentrations- und Gedächtnistraining – und den Rat, sich an eine Selbsthilfegruppe zu wenden. Der Austausch mit anderen Betroffenen tut gut.“ 

Kleine Schritte akzeptieren 
Eine schnelle Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit zu erreichen, sei im Fall von Post-COVID jedoch oft utopisch. „Wir erleben manchmal erstaunlich gute Verläufe. In der Regel geht es aber eher mit kleinen Schritten voran. Dies zu akzeptieren ist oft schwer. Wenn möglich ist das erste Ziel eine stufenweise Wiedereingliederung in den Beruf. Manche Patienten schaffen es auf diesem Weg, wobei Teilzeitarbeit und Homeoffice eine echte Hilfe sind, denn dann können sie sich ausruhen, wenn es nötig ist.“ Mit der Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Reduzierung der Arbeitszeit und niedrigeren Hürden für eine Teilerwerbsunfähigkeit könnte den Betroffenen Erleichterung verschafft werden, appelliert er. 

Post-COVID braucht breitere Aufmerksamkeit 
Angesichts einer Zahl von rund 2,5 Millionen Betroffenen in Deutschland wünscht sich Dr. Wagner eine breitere Aufmerksamkeit für die Problematik. „Momentan liegen die Wartezeiten auf einen Rehaplatz bei gut einem halben Jahr.“ Für Patienten, bei denen multiple Symptome im Vordergrund stehen, müsste außerdem das Angebot an interdisziplinär arbeitenden Kliniken dringend ausgebaut werden. „Doch da niemand weiß, wie lange uns das Thema noch begleiten wird, wagen viele Anbieter diesen Schritt nicht. Das ist aus ökonomischer Sicht nachvollziehbar, aber für die Betroffenen schwer auszuhalten.“ Fotocredit: Fachklinik Allgäu Bildunterschrift: Dr. med. Andreas Wagner, Chefarzt Pneumologie an der Alpcura Fachklinik Allgäu. Die Rehaklinik beteiligte sich 2022 an der Studie „ReCOVer“ der Hochschulen Kempten und Neu-Ulm, mit der die Wirksamkeit der angewendeten Behandlungen gegen das Post-COVID Syndrom ermittelt wurde.

  • Dr. med. Andreas Wagner, Chefarzt Pneumologie an der Alpcura Fachklinik Allgäu. Die Rehaklinik beteiligte sich 2022 an der Studie „ReCOVer“ der Hochschulen Kempten und Neu-Ulm, mit der die Wirksamkeit der angewendeten Behandlungen gegen das Post-COVID Syndrom ermittelt wurde | Foto: FKA

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