Krieg, knappe Energie, Krankheiten: Die Krisen weltweit überschlagen sich, der Druck am Arbeitsplatz wird größer: Immer mehr Menschen bringen die wachsenden Belastungen des Alltags an ihre Grenzen und darüber hinaus. Viel zu tun für Dr. Robert Dusch, den neuen Chefarzt der Psychosomatik an der Fachklinik Allgäu in Pfronten: Sechs bis sieben Monate beträgt derzeit die Wartezeit für einen der 95 Reha-Patientenplätzen dieser Abteilung – sogar bei Anschlussheilbehandlungen sind es sechs Wochen. „Das sollten eigentlich zwei sein“, sagt Klinik-Geschäftsführer Andreas Nitsch. Auch aus medizinischer Sicht ist die Wartezeit problematisch, sagt Dr. Dusch. Die seelischen Wunden, die die Folgen der Corona-Pandemie gerade auch bei jungen Menschen hinterlassen, lassen sich derzeit nur erahnen: Durch Homeschooling und Kontaktsperren, zeitweise aus dem sozialen Umfeld herausgerissen, wurde ihre Entwicklung belastet. Die Erkrankungen selbst verschafften nicht nur der Pneumologie in Pfronten zusätzliche Arbeit – mehr als 1.200 Post-Covid-Patienten hat die Klinik als Vorreiter in Süddeutschland laut Geschäftsführer Nitsch bereits behandelt – Für viele Covid-Erkrankte ist Angst ein großes Problem, so Dr. Dusch.
Bei den 18 Betten der noch jungen Krankenhausabteilung spüren die Pfrontener ebenfalls den stetig wachsenden Bedarf. Diese Abteilung wird deshalb vom Wachstum der Klinik profitieren: 100 Betten entstehen derzeit in einem Neubau, der bis zum zweiten Quartal 2024 fertiggestellt sein soll. Danach werden die bestehenden Bettentrakte nacheinander kernsaniert, so dass vorerst 50 zusätzliche Betten bereitstehen. Der Akutbereich der Psychosomatik soll auch noch einen eigenen Chefarzt erhalten – vorerst erfüllt Dr. Dusch diese Funktion mit. Mit ihm hat die Klinik nun wieder einen festen Chefarzt für die Psychosomatik. Seitdem Dr. Maximilian Krinninger das Haus aus persönlichen Gründen verlassen hat, war die Position nur interimsmäßig besetzt.
Dass sein neuer Arbeitgeber keiner großen Klinikgruppe angehört, war für den 56-jährigen Dr. Dusch einer der Gründe, von Bad Grönenbach nach Pfronten zu wechseln, wie er erklärt: Da sei man schneller bereit, auch neue Wege auszuprobieren und habe keine langen Entscheidungswege. Hier würden Patienten mit einer guten Mischung an Ansätzen betreut, in die neben der Tiefen- und Verhaltenstherapie auch die Systemische Therapie einfließe. Bei ihr werden die Menschen auch als Teil einer sozialen Gruppe betrachtet, etwa am Arbeitsplatz oder in der Familie. Der Behandlungsansatz der Fachklinik sei dabei ganzheitlich: „Wir holen den Patienten auch körperlich ab“, sagt Dr. Dusch. Auch ältere Patienten verlieren langsam die Scheu, sich bei seelischen Belastungen Hilfe zu holen. 70 bis 80 Prozent der Patienten stehen jedoch noch im Berufsleben – und da sei es das Ziel, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. Das gefällt allerdings nicht jedem. So mancher habe sich bereits aufgegeben und wolle eigentlich nur noch komplett raus aus dem beruflichen Hamsterrad. Da gelte es für den Arzt, Wege aufzuzeigen, wie es weitergehen könne.
Ganz wichtige Faktoren zur seelischen Gesundheit sind für Dr. Dusch übrigens Vertrauen und der Hausarzt: Vertrauen, dass es Wege aus der eigenen Problematik gibt, und ein Hausarzt, der einem diese aufzeigt und nicht wie manche Medizintipps aus dem Internet zusätzlich Ängste schürt.
Quelle: Allgäuer Zeitung (Ausgabe Füssen vom 4. Februar 2023) / mit freundlicher Genehmigung der Allgäuer Zeitung